Saarbrücker Caritasgespräch zum Thema Umgang mit
Flüchtlingen
Als Ali von seiner Familie in Afghanistan weggeschickt wird, ist er 17 Jahre
alt. Der Vater hat Angst, dass die Taliban seinen Sohn zwangsrekrutieren. Seit
30 Jahren ist in dem Land Krieg und es herrscht Gewalt. Ali soll nicht eines
der nächsten Opfer werden. Als der Junge auf der Flucht ist, hat seine Familie
Angst um sein Leben. Denn der Weg über die Grenze zum Iran und durch die Türkei
ist lebensgefährlich. Auch Ali hat Angst. Auf dem Mittelmeer ist er sieben Tage
mit dem Boot unterwegs nach Italien, aber mit Trinkwasser für nur drei Tage.
Halbtot strandet er in Süditalien, wird von der Polizei aufgegriffen. Ali muss
seine Fingerabdrücke hinterlegen, er schläft auf der Straße, schlägt sich nach
Frankreich durch, gelangt nach Paris und ersteht dort ein Ticket nach Hamburg.
Dort kommt er nie an. Eine Kontrolle der Polizei im Zug sorgt dafür, dass der
junge Flüchtling ohne Papiere im Saarland strandet.
Er kommt ins Clearinghaus nach Völklingen, stellt einen Asylantrag und soll
drei Monate später wieder nach Italien abgeschoben werden. Die Folge des Dublin
II-Abkommens. Asylanträge müssen in der EU dort gestellt werden, wo die
Flüchtlinge zuerst EU-Boden betreten. Ali hat Glück. Er findet Asyl in der
Saarbrücker Kirche St. Josef. "Da war ich gerettet, aber auch
gefangen", erzählt Ali in perfektem Deutsch seine 60-köpfige Zuhörerschaft
beim Caritas-Gespräch am 2. Dezember in Saarbrücken. "Jeder Tag dauerte
für mich wie ein Jahr", illustriert er seine damalige Lage. Er, der lernen
will, kann keine Schule besuchen, der junge Mann kann nicht ins Kino, nicht in
die Disko; er will und kann seine Eltern in Afghanistan nicht die Wahrheit erzählen.
Nach sechs Monaten klärt sich seine Situation, er kann das Kirchenasyl
verlassen, bekommt eine Aufenthaltsgenehmigung, geht zur Schule, ist als
Flüchtling anerkannt. "Derzeit bereite ich mich auf den mittleren
Bildungsabschluss vor", freut er sich. Als Ali spricht könnte man eine
Stecknadel fallen hören. Da hat ein ganz junger Mensch schon viel erleben
müssen, aber nicht aufgegeben. Auch nicht, als er als anerkannter Flüchtling
plötzlich ganz neue Probleme hatte und das Gefühl, von den deutschen Behörden wie
ein Ball hin und her geschubst zu werden.
Was der junge Mann aus Afghanistan berichtete, stand stellvertretend für viele
Erfahrungen von Flüchtlingen am Anfang einer Diskussion, zu der das Dekanat
Saarbrücken eingeladen hatte. "Flucht nach Europa - in Saarbrücken
gestrandet" war das Thema für Moderator und Rundfunkjournalist Christian
Otterbach und seine Diskussionsrunde.
Roland Röder vom Saarländischen Flüchtlingsrat forderte das Abkommen Dublin II
abzuschaffen. Dabei sei Dublin II nur einer der Bausteine zur "Festung
Europa". Das Schenger Abkommen, von vielen wegen der damit erreichten
Freizügigkeit begrüßt, habe für die Flüchtlinge katastrophale Folgen gehabt.
Rund 20.000 Menschen habe dieser Vertrag den Tod gebracht, unter Lkws hängend
oder auf andere Weise. Dublin II habe die Flüchtlingsströme nach Europa ordnen
sollen, habe dieses Ziel aber nicht erreicht, sagte Staatssekretär Georg
Jungmann. Der Vertrag habe Italien oder Griechenland überfordert. Ab dem 1.
Januar nächsten Jahres gelte nun Dublin III. Dort seien die strittigen
Regelungen der Rückführung in das Erstbetretungsland mit Ausnahmen versehen.
Horst-Peter Rauguth, Diakon in Malstatt und einer der Unterstützer von Ali
bezeichnete die Verhältnisse für Flüchtlinge in Italien als teilweise katastrophal.
Oft gebe es keine menschenwürdige Behandlung der Flüchtlinge sondern
Abschreckung. Sich für Flüchtlinge einzusetzen sei ein ureigenes Geschäft der
Kirche und eine der sieben Werke der Barmherzigkeit, betonte Rauguth. Leider
sei das oft nicht ein Schwerpunkt kirchlichen Engagements. Diakon Rauguth
zitierte dazu Papst Franziskus, der gesagt hatte:
"Ich bin Hirte einer Kirche ohne Grenzen?".
Rudolf Bard vom Jugendmigrationsdienst der Saarbrücker Caritas begrüßte die
Hilfemöglichkeiten für junge Flüchtlinge, wie sie im Saarland eingerichtet
seien. Ungenügend aber sei das Erlernen der Sprache geregelt. Da brauche es
eine Zusammenfassung der Betroffenen für eine Zeit, in der sie sich auf die
neue Sprache konzentrieren können. Danach könnten sie in der Regelschule weiter
lernen. "Man muss Bedingungen schaffen, dass die jungen Leute ihre Chancen
auch umsetzen können", sagte Bard.
Yusuf Gectan von der Kurdischen Gemeinde Saarland und 1988 als Flüchtling nach
Deutschland gekommen, forderte die Unterbringung in Lagern abzuschaffen. Alle
Flucht beginge mit Hoffnung. Voller Hoffnung komme man an, aber in einem Lager.
Man lande mitten unter traumatisierten Menschen aus aller Welt, die auf engstem
Raum zusammen leben müssen. Gectan forderte, den betroffenen Menschen mit Würde
zu begegnen und mit Offenheit.
Pressemitteilung
Caritasgespräch zum Thema Umgang mit Flüchtlingen
Erschienen am:
20.12.2013
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