Beratungs- und Interventionsstelle
für Opfer
häuslicher Gewalt
im Saarland
Jahresbericht
2010
![]() |
Haus der Caritas
Johannisstraße 2
66111 Saarbrücken
Tel.: 0681 – 3799610
Fax.: 0681 – 37996115
e-mail: interventionsstelle@skf-saarbruecken.de
www.skf-saarbruecken.de
1. Vorstellung der
Beratungsstelle/Personelle Besetzung
Die Beratungs- und Interventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt hat ihre Beratungstätigkeit am 02.04.2007 aufgenommen. Das Zuständigkeitsgebiet umfasst das ganze Saarland mit 20 Polizeidienststellen. Träger der Einrichtung ist der Sozialdienst katholischer Frauen, Ortsverband Saarbrücken e. V. in Kooperation mit dem Caritasverband für Saarbrücken und Umgebung e. V.. Die Einrichtung bietet eine Kurzzeitberatung im Sinne einer Krisenintervention für Personen an, die Opfer von Gewalt in engen sozialen Beziehungen geworden sind oder die gegen den eigenen Willen von einer Person, mit der sie eine Beziehung hatten, dauerhaft und penetrant verfolgt werden (Stalking).
Neben der Beratung für Erwachsene besteht ein eigenständiges Beratungsangebot für Kinder und Jugendliche, die durch das Miterleben von elterlicher Partnerschaftsgewalt ebenfalls Opfer geworden sind.
Sowohl für die Beratung erwachsener Opfer häuslicher Gewalt, als auch für die Kinder- und Jugendberatung steht jeweils eine dreiviertel Sozialarbeiterinnenstelle zur Verfügung. Das Sekretariat ist mit einer halben Stelle besetzt.
2. Beratung
Die Initiative zur Kontaktaufnahme geht in erster Linie von der Interventionsstelle aus (pro-aktiver Beratungsansatz). Mit dem Einverständnis der Betroffenen schickt die Polizei die Kontaktdaten der Opfer an die Interventionsstelle, die innerhalb von 24 h (außer Wochenende und Feiertage) einen ersten Kontaktversuch zu den Opfern unternimmt. Die Betroffenen können sich auch selbst oder mittels einer Vertrauensperson an die Beratungsstelle wenden.
Die Gesprächsinhalte reichen von der aktuellen körperlichen und psychischen Verfassung des Opfers, dessen psychosozialer Situation sowie der Information über polizeiliche und rechtliche Schutzmaßnahmen, bis hin zur Gefährdungsanalyse und möglichen Schutz- und Hilfemaßnahmen. Bei Bedarf werden Betroffene an andere Institutionen, Opferhilfeeinrichtungen, Frauenhäuser, Beratungsstellen, Ärztinnen, Therapeutinnen oder Rechtsberatungen weitervermittelt.
Finden Beratungsgespräche mit dem gewaltbetroffenen Elternteil im Rahmen der Kinder- und Jugendberatung statt, so liegt hier der Focus auf der Situation des betroffenen Kindes. Wird darüber hinaus ein weiterer Hilfebedarf für das Kind gesehen, können von Seiten der Interventionsstelle entsprechende Kontakte vermittelt und aktiv begleitet werden (z. B. Gespräche beim Jugendamt, in Beratungsstellen).
3. Kooperations- und Gremienarbeit
Um den Opfern häuslicher Gewalt weitergehende Hilfeangebote zu benennen oder zu vermitteln, ist die Vernetzung mit allen dafür geeigneten Personen und Institutionen besonders wichtig.
Im Berichtszeitraum wurden Informationsgespräche mit Vertreter/innen folgender Einrichtungen geführt:
- Frauenhäuser des Saarlandes
- Lebensberatungsstelle des Bistums Trier, Saarbrücken
- Schwangerschaftsberatungsstelle des SkF Saarbrücken
- MitarbeiterInnen des Migrationsdienstes des Caritasverbandes Saarbrücken
- Elisabeth-Zillken-Haus, Saarbrücken
- Austauschtreffen mit Beratungsstellen, die zum Thema „häusliche Gewalt“ arbeiten
unter Federführung der Interventionsstelle
- ReMaks, Institut für Rechtsmedizin, Saarbrücken
Die Arbeit in Gremien dient einerseits der weiteren Vernetzung, verfolgt aber insbesondere das Ziel, gemeinsam mit anderen die Verbesserung der Situation der von häuslicher Gewalt betroffenen Menschen zu erreichen.
Die Interventionsstelle (Erwachsenenberatung) war bzw. ist in folgenden Gremien vertreten:
§ „Runder Tisch gegen Häusliche Gewalt“, Koordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt im Ministerium für Justiz
§ AK Polizei und Justiz „sexualisierte Gewalt gegen Frauen“
§ AK „Therapeutinnen und Beraterinnen gegen sexualisierte Gewalt“
§ AK „Migrantinnen“ des Zuwanderungs- und Integrationsbüros
§ Frauenforum der Landeshauptstadt Saarbrücken
§ Nationales Treffen der Interventionsstellen in Hamburg am 06./07.12.2010
Die positive Zusammenarbeit mit dem Referat F, u. a. Gewalt gegen Frauen und Kinder im Ministerium für Arbeit, Familie, Prävention, Soziales und Sport, Karin Weindel (Referatsleiterin) und Erika Trenz, sowie mit der Koordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt im Ministerium für Justiz , Marion Ernst, konnte im Berichtzeitraum weitergeführt werden.
Zur Optimierung der Kooperation mit der Saarländischen Polizei wurde ein Kooperationsgespräch mit dem Opferschutzbeauftragten, Herrn Thomas Dörr und Herrn Rahmann von der Landespolizeidirektion geführt. Neben dem einzelfallbezogenen Austausch mit den Beamtinnen und Beamten in den Dienststellen ermöglichte die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Häusliche Gewalt“ für den Wach- und Streifendienst und Schwerpunktsachbearbeiter, den Auftrag und die Arbeit der Interventionsstelle zu verdeutlichen und sich daraus ergebende Konsequenzen für die Zusammenarbeit aufzugreifen.
4. Öffentlichkeitsarbeit und Qualitätssicherung
Die Mitarbeiterinnen der Interventionsstelle präsentierten ihre Arbeit am Info-Stand des SkF zu folgenden Veranstaltungen:
-Fraueninfobörse in Ottweiler
-Infostand des SkF am 8. März in der Saarbrücker Bahnhofsstrasse
-Frauengesundheitstag im Saarbrücker Schloss
-Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen, Veranstaltung der KfD- Frauen im
evangelischen Gemeindezentrum Saarbrücken
Daneben war die Interventionsstelle am Info-Stand des AK Migrantinnen bei der IMMIGRA, Messe für Arbeitsmarkt und Integration mit vertreten.
Im saarländischen Ärzteblatt (Ausgabe Mai 2010) als auch in der Saarbrücker Zeitung
vom 30.08. erschien jeweils ein ausführlicher Artikel über die Beratungs- und Interventionsstelle.
Auch der „Paulinus“ berichtete am 31.10. 2010.
Im Rahmen des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25.11. sendete der „Aktuelle Bericht“ im Nachrichtenblock einen Kurzbericht über die Arbeit der Interventionsstelle.
Am 27.04. 2010 besuchte Frau Ministerin Annegret Kramp- Karrenbauer die Interventionsstelle, überbrachte den Zuwendungsbescheid für 2010 und informierte sich über den aktuellen Stand der Arbeit.
Im Berichtszeitraum fanden regelmäßig Supervisionssitzungen zur Reflexion und Weiterentwicklung der Arbeit statt, auch nahmen die Mitarbeiterinnen an verschiedenen Fortbildungen teil.
5. Kinder- und Jugendberatung
Der Interventionsstelle sind viele Fälle bekannt geworden, in denen Kinder mit im Haushalt
des Opfers leben, also von elterlicher Partnerschaftsgewalt mit betroffen sind.
Der beraterische Schwerpunkt lag hier vor allem in der Beratung der erziehungsberechtigten
Opfer über die Auswirkungen des Miterlebens häuslicher Gewalt auf die Kinder.
Das überarbeitete Konzept der „Kinder- und Jugendberatung“ wurde am 07.06.2010
dem Abteilungsleiter im Ministerium für Arbeit ,Familie, Prävention, Soziales und Sport, Herrn Professor Dr. Günther und Frau Karin Weindel, der Referatsleiterin vorgestellt.
Die Stelle von Frau Christine Theisen, Kinder- und Jugendberaterin, konnte infolgedessen befristet vom 01.07. bis zum 31.12. von 29,5 auf 35 Wochenstunden aufgestockt werden. Frau Theisen entwickelte einen Kurzvortrag zum Thema „Kinder und häusliche Gewalt“. Schwerpunkt dieses Vortrages sind einerseits die Auswirkungen von häuslicher Gewalt für die mit betroffenen Kinder als auch die Arbeit der Interventionsstelle.
Dieser Vortrag wurde am 16.11. 2010 exemplarisch bei den LeiterInnen der Kindertageseinrichtungen der Landeshauptstadt Saarbrücken gehalten.
Außerdem referierte die Kinder- und Jugendberaterin bei einer Fachtagung zum Thema „Kinder und häusliche Gewalt“ an der deutschen Richterakademie in Trier .Organisiert wurde die Tagung von der Koordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt, Frau Marion Ernst.
Um Kinder und Jugendliche an geeignete Hilfeangebote vor Ort vermitteln zu können, lag ein besonderer Schwerpunkt in der Kooperations- und Gremienarbeit.
Die Kinder- und Jugendberaterin nahm regelmäßig an dem Arbeitskreis „Jugendhilfe und Justiz“ des SOS-Kinderschutzzentrums , als auch am Arbeitskreis „Frühe Hilfen“ in Neunkirchen teil.
Auf Anfrage des Jugendamtes des Regionalverbandes, Außenstelle Burbach, referierte
Frau Theisen über die Arbeit der Interventionsstelle und stellte sich den Fragen der MitarbeiterInnen.
6. Auswertung statistischer Daten
· Gesamtzahl
Insgesamt sind im Berichtszeitraum 887 Fälle eingegangen, von denen 865 Fälle häuslicher Gewalt waren, in 12 Fällen lag keine häusliche Gewalt im Sinne der Konzeption der Interventionsstelle vor, 10 mal fand eine fallunabhängige Beratung Dritter (Mitarbeiter/innen anderer Stellen und Institutionen, Verwandte, Familienmitglieder etc.) statt.
Somit ist Anzahl der Fälle häuslicher Gewalt im Vergleich zum Vorjahr ungefähr gleich geblieben.
Die folgende Datenauswertung bezieht sich auf die 865 Fälle häuslicher Gewalt:
· Vermittlung
In ca. 86,9 % der Fälle fand eine Vermittlung der Betroffenen durch die Polizei statt,
ca. 13,1 % waren SelbstmelderInnen.
Hier ist die Zahl im Vergleich zu 2009 identisch geblieben. In 2008 waren es lediglich 6%
SelbstmelderInnen.
Somit setzt sich der Trend fort, dass die Beratungsstelle bei Betroffenen und MultiplikatorInnen bekannter geworden ist und diese auf dem direkten Weg den Zugang zur IST suchen.
· Personenbezogene Daten der Opfer
Geschlecht: 94,5 % Frauen und 5,4 % Männer ,0,1 %:unbekannt
Kinder: in 58% der Fälle lebten Kinder bei den Betroffenen ,in 35,5 % gab es keine Kinder
im Haushalt, in 6,5 % war dies nicht bekannt
Alter:
Altersstruktur und Beratung:
In 38,3 % der Fälle fanden ein oder mehrere ausführliche Beratungsgespräche statt.
Auffallend ist, dass mit zunehmendem Alter auch die meisten Beratungen in Anspruch genommen wurden. Je älter also die Betroffenen waren, umso mehr stieg die Bereitschaft, sich auch tatsächlich beraten zu lassen.
Sprache: 94,55 % der Opfer waren deutschsprachig
Die Interventionsstelle hält für nichtdeutschsprachige Opfer standardisierte Briefe in verschiedenen Sprachen, Infomaterial und die Möglichkeit, Beratungsgespräche mit einer Dolmetscherin zu führen, bereit. Kooperationsvereinbarungen mit speziellen Beratungsstellen für Migrantinnen ermöglichen bei Bedarf eine Weitervermittlung der Betroffenen.
Nationalität: 74 % der zu Beratenden hatten die deutsche Staatsbürgerschaft, ca.12 % waren nicht deutsch, der Rest war unbekannt
Herkunftsland: 73,46 % Deutschland, 22,01 % Nicht deutsch, Rest unbekannt
Über 1/5 der zu Beratenden hatten also einen Migrationshintergrund.
Diese Zahl ist, im Vergleich zum Vorjahr identisch geblieben.
Regionale Herkunft:
Die Zahlen sind, mit leichten Schwankungen im Vergleich zum Vorjahr identisch geblieben.
Einkommenssituation:
In 60,4 % der Fälle war die Einkommenssituation der Opfer nicht bekannt.
In 15,1 % der Fälle verfügten die Opfer über ein eigenes Einkommen, in 3,9 % gab es Familieneinkommen und in 12,6 % der Fälle erhielten die Betroffenen staatliche Leistungen.
Die besondere Situation der proaktiven Beratung, in der nicht immer alle Daten erhoben werden können erklärt die häufige Nennung „unbekannt.“
· Personenbezogene Daten der Täter/innen
Geschlecht: 46 % Männer, 3,6 % Frauen, 50,4 % unbekannt
· Lebenssituation des Opfers zum Zeitpunkt der Tat
Auch bei der Lebenssituation der Betroffenen gibt es aufgrund der besonderen Situation der
proaktiven Beratung einen großen Anteil an nicht bekannten Daten.
61,9 %: unbekannt, 15,2 %: in Ehe, 8,3 %: allein lebend, 8,44 %: in Partnerschaft, getrennt lebend:2,66 %, in Herkunftsfamilie:1,74 %, in Dauerwohngemeinschaft:0,46 %, getrennt lebend in einem Haus:0,92 %, in Scheidung:0,23 %
· Täter-Opfer-Beziehung zum Zeitpunkt der Tat
Die meisten Opfer erlebten Gewalt durch den aktuellen Ehepartner in 41 % der Fälle. An zweiter und dritter Stelle steht die Gewalt durch den aktuellen Lebensgefährten(19 %) bzw. ehemaligen Lebensgefährten(18 %).
· Art der Gewalt
Die Kategorie „Art der Gewalt“ bezieht sich hier lediglich auf die Fälle, in denen eine Beratung erfolgt ist, also auf Fälle, wo bekannt war, welche Art von Gewalt bei den Opfern statt gefunden hat.
Rein körperliche Gewalt gab es lediglich in 11,5 % der Fälle. psychische Gewalt in 15,7 %.
Psychische, körperliche und sexualisierte Gewalt lag in 6,9 % der Fälle vor.
Die meisten Opfer erfuhren körperliche und psychische Gewalt in 65 % der Fälle. Rein sexualisierte Gewalt kam lediglich in 0,7 % der Fälle vor.
Es ist davon auszugehen, dass sexuelle Gewalt weitaus häufiger vorliegt als von den Opfern selbst angegeben.
· Kontaktaufnahme mit dem Opfer
Kontaktaufnahme: Der erste Versuch zur Kontaktaufnahme mit dem Opfer erfolgte in ca. 89,2% der Fälle innerhalb von 48h nach Eintreffen der Einverständniserklärung der Polizei. In ca. 9,8 % erfolgte der erste Versuch zu einem späteren Zeitpunkt, da die Meldungen auch am Wochenende und an Feiertagen, wenn die Interventionsstelle nicht besetzt ist, eingehen.
Ergebnis: In ca. 77,63 % der Fälle konnte ein Kontakt mit dem Opfer hergestellt und ein Beratungsangebot unterbreitet werden. Alle Betroffenen, mit denen kein Kontakt zustande kam, wurden angeschrieben und erhielten Informationsmaterial.
Formen der Kontaktaufnahme : In ca. 65,91 % der Fälle erfolgte eine telefonische, in ca. 3,33 % eine schriftliche, in ca. 28,23 % sowohl eine telefonische wie auch eine schriftliche Kontaktaufnahme durch die Interventionsstelle.
Alle diese Daten sind im Vergleich zum Vorjahr ungefähr identisch geblieben.
· Beratungen
Die Beratungen am Telefon und in der Interventionsstelle bedürfen einer hohen Flexibilität im Blick auf den individuellen Beratungsbedarf.
Daher war der Beratungsumfang sehr unterschiedlich.
Ein telefonischer Kurzkontakt dauerte in der Regel 5 bis 20 Minuten, ein Beratungsgespräch
30 Minuten bis 2 Stunden.
Im Berichtszeitraum wurden von den Mitarbeiterinnen 480 ausführliche Beratungsgespräche durchgeführt. In 73,1 % erfolgten die Beratungen telefonisch und in 26, 1% persönlich in der Interventionsstelle. Telefonische Kurzkontakte gab es 2212. Hierzu zählen sowohl die erfolglosen Kontaktversuche, als auch kürzere Beratungsgespräche. Weitergehende telefonische Kontakte (Polizeiinspektionen, andere Beratungsstellen, Jugendämter, Frauenhäuser) sind nicht erfasst.
In 137 Fällen wurde ein vereinbarter Beratungstermin nicht wahrgenommen.
7. Projekte 2011
· Weitere Umsetzung des Kinder- und Jugendkonzeptes im Bereich der Prävention
· Weiterführung der guten Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit
· Planung und Organisation der Jubiläumsveranstaltung in 2012
Saarbrücken, den 30.03.2011