Wenn die Seele krank ist
Caritasgespräche
Am Montag, dem 8.02.2010 um 19.00 Uhr diskutierten
eine Expertenrunde und rund 40 Gäste im Saarbrücker Kirchenladen „st.-glauben
am Markt“ zum Thema „Wenn die Seele krank ist“.
Als Podiumsteilnehmer waren anwesend:
• Ingwardt Tauchert, Psychiatrie-Referent des Saarlandes im Ministerium für
Gesundheit und Verbraucherschutz
• Volker Bier, Pfarrer, ev. Leiter der ev.-kath. Telefonseelsorge und
Beratungsstelle Saar
• Axel Weiten, Aufnahmekoordinator des Arbeitstrainings- und Therapiezentrum
der SHG-Klinik
• Dr. Robert Dirckes, Facharzt für Psychiatrie, SHG-Klinik Sonnenberg
Saarbrücken
• Peter Weinmann, Projektleiter des Bundesverbandes Psychiatrie-Erfahrener
Das Gespräch wurde moderiert von Christian Otterbach, Redakteur beim
Saarländischen Rundfunk.
Leo Strempel vom SkF begrüßte als Mitveranstalter die Teilnehmer des Podiums
und die zahlreich erschienenen Gäste. Er führte aus, dass die Geschichte der
Psychiatrie im Saarland über Jahrzehnte institutionalisiert war mit dem
1000-Betten-Landeskrankenhaus Merzig. Im Umgang mit psychisch erkrankten
Mitmenschen herrschte in der Bevölkerung große Hilflosigkeit, wenn nicht
Ablehnung. Heute sei bekannt, dass diese Art der Behandlung in psychiatrischen
Großkliniken nicht die Hilfe gibt, die diese Menschen brauchen.
Die in den 90iger Jahren begonnene saarländische Psychiatrie-Reform habe die
Situation der Anstaltspsychiatrie konsequent und systematisch verändert, das
Landeskrankenhaus sei aufgelöst und in jedem Landkreis psychiatrische
Fachabteilungen an einem Allgemeinkrankenhaus aufgebaut worden.
Wenn sich die Behandlungsmöglichkeiten für psychisch kranke Menschen auch
wesentlich verbessert hätten, so bleibe doch die Frage bestehen, ob sich im
menschlichen Miteinander, im Zusammenleben von psychisch gesunden und
erkrankten Menschen etwas geändert habe. Dass wir es immer noch mit einer
gesellschaftlichen Tabuzone zu tun hätten, habe der Tod von Robert Enke mehr
als verdeutlicht. Die guten Vorsätze seien gefasst, das Problem der Umsetzung
bestehe weiter. Antworten auf diese und weitere Fragen erhoffe er sich von der
Expertenrunde.
Dr. Dirckes Facharzt für Psychiatrie, SHG-Klinik Sonnenberg Saarbrücken
informierte über die unterschiedlichen psychiatrischen Krankheitsbilder und neue
Erkenntnisse der Krankheitsursachen. Ingwardt Tauchert ging auf die Geschichte
der Psychiatrie im Saarland und die Angst machenden Sonderanstalten ein, in
denen es nicht selten war, dass Patienten 30 – 40 Jahre untergebracht waren.
Psychisch Erkrankte müssten wie körperlich Erkrankte behandelt und angesehen
werden. Volker Bier informierte, dass der Tod von Robert Enke, der sehr in die
Öffentlichkeit getragen wurde, oft Thema bei den Anrufern der Telefonseelsorge
sei und man bei der Bahn schon von einem Enke-Syndrom spreche. Axel Weiten ging
auf die berufliche Förderung der nicht mehr akut psychisch Kranken ein, die im
Alter von 17 – 60 Jahren zu mehr als 50 % in den Arbeitsmarkt eingegliedert
werden könnten. Peter Weinmann sah dies allerdings kritischer, da es sich oft
nicht um den 1. Arbeits-markt handele, sondern um öffentlich geförderte
Stellen. Er kritisierte die „Biologisierung der Behandlung“, dass statt
therapeutischer Gespräche die Tabletteneinnahme im Vordergrund stünde.
Auf seine Profession als Seelsorger angesprochen erwiderte Bier, dass er
festgestellt habe, dass die Kirche den Begriff der Seele aufgegeben habe und
ihn erst langsam wieder entdecke. Die Kirchen sollten die Fragen nach den
Wünschen und Sehn-süchten eines Menschen hören, denn dies mache die Seele des
Menschen aus. Es komme darauf an, die Seele als Kompass in sich wahrzunehmen
und sich zu fragen, wohin die Seele ausgerichtet sei bzw. was sie mir sagen
würde, wenn sie eine Stimme hätte. Für ihn sind Seele und Psyche auch 2 getrennte
Bereiche.
Zur Frage der Angehörigen informierte Weiden, dass viele psychisch erkrankte
Erwachsene keine eigene Familie hätten und noch bei den Eltern leben würden.
Bei der Familie könnte es sich aber um ein krankes System handeln, von dem sich
der Betroffene lösen müsse. Selbsthilfegruppen könnten wertvolle Informationen
und Hilfen geben.
Eine Hilfe im Umgang mit psychisch Kranken – so Dr. Dirckes – könne das Wissen
sein, dass die meisten Straftaten von Gesunden begangen würden und psychisch
Kranke nicht gefährlicher seien als gesunde Mitmenschen. Leider würden die
Medien immer wieder ein anderes Bild vermitteln, gefordert sei eine stärkere
Integrations-arbeit..
Tauchert wies darauf hin, dass
früher viele psychisch Kranke durch die Anstaltsunterbringung aus der
Öffentlichkeit verschwunden wären. Das Selbstbild dieser Personen habe sich
geändert vom Fürsorgeempfänger zum aktiv Handelnden, der auf Augenhöhe
kommunizieren will, eigenverantwortlich handelnd und in dem Bemühen, seine
Eigenkräfte zu mobilisieren. Das Ziel sei es, so Dr. Dirckes, dem Patienten
mehr und mehr Verantwortung zu geben bis zur vollen Eigenverantwortung.
Tauchert gab zu Bedenken, dass jede Diagnose stigmatisierend wirke, besonders
bei psychischen Erkrankungen. Er sieht im Saarland ein ausreichend enges Netz
an Psychiatern und Psychotherapeuten.
In der Schlussrunde wurde noch einmal der Wert der Arbeit für die Gesundung des
psychisch Kranken und sein Selbstwertgefühl hervorgehoben und dass die richtige
Behandlung - Gespräch und Medikamente – für die Heilung wichtig seien. Es müsse
gewährleistet sein, dass der Erkrankte so weit wie möglich sein
selbstbestimmtes Leben weiterleben könne.