1.300 Suchtberatungsstellen erreichen bundesweit mehr als eine halbe
Million Abhängigkeitserkrankte und ihre Angehörigen: Der Großteil der Beratungsprozesse
wird mit einer positiven Prognose beendet. Die Suchtberatungsstellen leisten in einer gut
ausgebauten kommunalen Suchthilfe eine unverzichtbare Hilfe: Sie retten Leben und helfen
Gewaltspiralen in Familien und im öffentlichen Raum zu durchbrechen. Zudem werden durch
die Suchtberatung direkt überaus hohe volkswirtschaftliche Kosten eingespart.
Laut einer aktuellen Studie zum Konsumverhalten wurden während der Corona-Pandemie
bzw. des Lockdowns größere Mengen und auch früher am Tag Alkohol getrunken. Bei den
illegalen Drogen verändern sich riskante Konsummuster. Alkohol- und Drogenkonsum ist auch
ein Seismograph für die Bewältigung persönlicher Krisen: Hier braucht es die Suchtberatung
als Institution für zwischenmenschliche Rettungsschirme.
Suchtberatung steht finanziell mit dem Rücken an der Wand
Die Suchtberatungsstellen vor Ort sind in der Regel finanziell und folglich personell sowie
technisch schlecht ausgestattet. Die ohnehin prekäre Finanzierung ist pandemiebedingt
zusätzlich verschärft.
Viele Suchtberatungsstellen stehen mit dem Rücken an der Wand, denn es muss immer mehr
Arbeit für immer weniger Geld geleistet werden: Personalkosten steigen, die Anforderungen
an Qualität nehmen zu und die Hilfeangebote müssen flexibler und individueller gestaltet
werden. Auch die erforderliche Digitalisierung benötigt Ressourcen. Sie kann die Beratung
ergänzen, den persönlichen Kontakt aber nicht ersetzen.
Dabei ist nicht zu vergessen, dass Qualität und Quantität "sozialer Dienste" im Kontext von
Fürsorge auch durch das zur Verfügung gestellte Finanzvolumen der Steuermittel bestimmt
wird.
Betroffene Menschen brauchen Unterstützung. Suchtberatung JETZT stabil
finanzieren!
Die Systemrelevanz der Suchthilfe und der Sucht-Selbsthilfe wurde in der Krise bestätigt. Nun
muss sichergestellt werden, dass auch in der Zeit nach Corona ein institutionelles
Unterstützungsangebot verlässlich zur Verfügung steht. Um das Potential der Suchtberatung für suchtgefährdete und abhängigkeitskranke Menschen sowie deren Angehörige zu nutzen
und so auch die Brücke in weiterführende Hilfen zu erhalten, muss die Finanzierung stabil,
kostendeckend und verlässlich erfolgen.
Die DHS fordert deshalb:
1. Die finanzielle Entlastung der Kommunen durch das Konjunkturpaket soll zur Stärkung
der sozialen Daseinsvorsorge genutzt und die Suchtberatung zur kommunalen
Pflichtleistung werden.
2. Für den Bereich der Grundversorgung in den Suchtberatungsstellen braucht es eine
angemessene Relation zwischen Fachkräften und Nutzer/-innen: Mindestens eine
Fachkraft für 10.000 Einwohner/-innen, zzgl. 0,2 Verwaltungsstellen.
3. Die Finanzierung der Suchtberatung soll überwiegend pauschal erfolgen und muss
jährlich dynamisiert werden, damit Tarifbindungen, Lohnsteigerungen und
Inflationsraten berücksichtigt werden können.
4. Erwirtschaftete Eigenmittel und Spenden abseits der ambulanten suchtspezifischen
Grundversorgung dürfen nicht mit deren Finanzierung verrechnet werden.
5. Weiterhin gilt unter Corona-Bedingungen: Menschen mit Suchtproblemen müssen
auch unter Infektionsschutzbedingungen bedarfsgerecht beraten und begleitet
werden. Dazu gehört eine Suchtberatung, die in Blended Counseling Formaten nach
fachlichen Maßstäben gestaltet werden kann. Dazu müssen auch die Einrichtungen
angemessen ausgestattet sein.
Damit die Suchtberatungsstellen für suchtgefährdete und/oder abhängigkeitskranke
Menschen sowie deren Angehörige weiterhin die zentrale und hilfreiche Anlaufstelle in den
Kommunen und Bundesländern bleiben und helfen kann, Verelendungen und Gewaltspiralen
in Familien zu verhindern, sowie einen Beitrag zur öffentlichen Sicherheit zu leisten, ist es
JETZT erforderlich, eine verlässliche Finanzierung zu garantieren!
Hamm, 10. September 2020
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS)